Was ist typisch Dorf?
Da ich vom Dorf komme, kann ich diesbezüglich quasi als Expertin betrachtet werden. Quasi. Es ist ja auch nicht jeder Besitzer eines Haustieres gleich ein Tierarzt, aber man macht schon so seine Erfahrungen und gewinnt viele authentische Eindrücke.
Was ist typisch Dorf?
Die meisten kleinen Ortschaften zeichnen sich durch einen beeindruckenden Mangel an Anonymität aus. Ein markantes Beispiel aus meiner Kindheit: Eine Freundin und ich haben uns im damals größten Laden des Ortes eine Dose Pringles gekauft. Diese Art von Chips war damals ganz neu und hippig. Noch bevor ich wieder zu Hause war, wusste meine Mutter bereits von meinem Einkaufs“erlebnis“. Diese so triviale Neuigkeit, die dem Begriff Neuigkeit eigentlich spottet, ist innerhalb kürzester Zeit zu ihr durchgedrungen. Darin zeigt sich eine weitere Sache, die man als typisch Dorf bezeichnen kann: den Leuten ist stinklangweilig.
In Ermangelung echter Aufreger werden aus Mücken Elefanten gemacht, die ungebremst durch den Porzellanladen brettern dürfen, den es gar nicht gibt, denn welches Dorf leistet sich schon einen Porzellanladen? Ein Dorf besitzt in der Regel wenige Freizeitangebote. Dementsprechend lohnt es sich nicht, die Bürgersteige nach 20:00 Uhr noch aufgeklappt zu lassen. Wie ruhig so ein Abend im Dorf ist, wird einem Landmenschen erst bewusst, wenn er ein paar Nächte in der Stadt verbracht hat.
Für Einrichtungen wie Kino, Disco, Schwimmbad oder Fitnesscenter müssen die Dorfbewohner in die nächst größere Stadt gondeln. Es existieren nur leider recht wenige Gondeln zwischen den Dörfern und den Städten. Typisch Dorf #4: Schlechte Verkehrsanbindung.
Wer auf dem Land wohnt, der tut dies meistens in einem Haus. Mit Vorgarten, Einfahrt, Garage und (Hinter-)Garten. In der Stadt mag dieser Luxus dann und wann vermisst werden, er führt aber bei vielen Dorfbewohnern zu einer schwerwiegenden Krankheit namens Pedanterie. Da werden aus unbescholtenen Bürgern plötzlich rabiate Grashalm-Diktatoren, die jedem unerwünschten Blatt, Insekt oder Sandkorn mit schwerem Gerät zu Leibe rücken. Das Verständnis für und die Geduld mit Nachbarn, die ihre Garten- und Auffahrtpflege schleifen lassen, hält sich bei den Betroffenen der Krankheit sehr in Grenzen.
Das klingt jetzt natürlich alles ziemlich negativ. Das Dorfleben hat aber sehr wohl viele positive Seiten zu bieten. Da wären z.B. die seit langer Zeit gepflegten Traditionen, Sicherheit, viel Platz, kurze Wege und das Aufwachsen mit und in der Natur.